Wenn eine Person sich als farbenblind beschreibt, möchte sie damit aussagen, dass sie die „Hautfarbe“ einer Person nicht wahrnimmt und diese in ihren Denkmustern und Verhaltensweisen scheinbar keine Rolle spielt. Dabei wird auf die Gleichheit aller und vermeintliche Chancengleichheit verweisen. Allerdings wird der Ansatz der „Farbenblindheit“ kritisch diskutiert, da er tatsächlich nicht dazu führt, dass bestehender Rassismus reduziert wird. Stattdessen führt vermeintliche Farbenblindheit dazu, dass Rassismus als andauerndes Problem bestritten und zu einem Problem der Vergangenheit erklärt wird. Folglich verhindert Farbenblindheit, dass rassistische Strukturen und Denkmuster bekämpft werden. Bestehende Machtverhältnisse in Form von Privilegien, Zugängen und Ressourcen für weiß-gelesene Menschen werden stattdessen mit positiven Eigenschaften der weißen Person begründet (z.B. hartarbeitend) und der Einfluss rassistischer Gesellschaftsstrukturen ignoriert. Mit dieser Aufwertung der weiß-gelesenen Personen geht oft eine gleichzeitige Abwertung von BIPoC* einher, die auf Stereotypen, Vorurteilen und sonstigen ethnisierenden, kulturalisierenden bzw. rassistischen Erklärungen beruht (z.B. Faulheit). Die Berufung auf Farbenblindheit kann zudem eine bewusste oder unbewusste Ablenkungsstrategie sein, wenn auf institutionellen, strukturellen Rassismus oder Alltagsrassismus aufmerksam gemacht wird.
Siehe auch: White Tears, Weiße Zerbrechlichkeit (White Fragility), Essentialisierung, Gaslighting, Othering