Glossar Detailansicht

Blackface

Bemalt sich eine weiße Person das Gesicht mit brauner oder schwarzer Farbe oder Schminke, um auf der Bühne eine Schwarze Figur zu spielen, wird von Blackfacing bzw. Blackfacegesprochen. Der Begriff Blackfacing (zu Deutsch: sich das Gesicht schwärzen) stammt aus den USA und geht auf die dort weit verbreiteten Minstrel Shows zurück, die in den 1820er Jahren in den Vierteln weißer Arbeiter*innen der Nordstaaten entstanden. In diesen karikierten weißeSchauspieler*innen Sprache, Tanz und Alltag von Afroamerikaner*innen und bemalten dafür einerseits ihr Gesicht mit schwarzer Schuhcreme und andererseits ihre Lippen mit einem knalligen Rot. Diese erste genuin US-amerikanische weiße Kunstform ermöglichte es, den Schauspieler*innen einerseits Kritik am herrschenden weißen Bürgertum zu üben, soziale Konventionen, Rollen und Grenzen zu überschreiten, sich den Anforderungen der beginnenden Industrialisierung anzupassen und neu angekommene Einwanderer*innen z. B. aus Irland, Italien oder Osteuropa in das US-amerikanische Weißsein zu integrieren. Andererseits wurden diese Funktionen nur durch Stereotype und Abwertung erreicht.

Blackface-Performances breiteten sich in den 1850er Jahren im gesamten englischsprachigen Raum und darüber hinaus aus, z. B. nach Kuba und Südafrika. Durch Theater- und Musikensembles mit weißen und Schwarzen Mitgliedern, die durch Europa tourten, gelangten sie u. a. auch nach Deutschland, wo für den Dezember 1878 in Berlin die erste bekannte Blackface-Performance im Rahmen einer Aufführung des Theaterstücks „Onkel Toms Hütte“ nachgewiesen ist. In den 1910er und 1920er Jahren fand Blackface Eingang in den entstehenden deutschen Film und wurde zu einem gängigen Stilmittel. Schwarze Charaktere dienten dabei durchgehend als Projektionsflächen für die weiß-deutsche Dominanzgesellschaft. Während Blackface in den USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend unüblich und als rassistisch erkannt wurde, blieb es in deutschen Theatern unhinterfragte Praxis. Erst im Jahr 2011 erreichte die Kritik an Blackface anlässlich einer Aufführung am Deutschen Theater in Berlin und weiteren ähnlichen Auftritten in den folgenden Jahren auch die breitere Öffentlichkeit in Deutschland. 2015 wurde der Begriff zum Anglizismus des Jahres gekürt, weil es bis dahin im Deutschen gar keine Bezeichnung für die rassistische Praxis gab. Seit 2020 geht auch das Soziale Netzwerk Facebook verstärkt gegen Blackface vor und hat entsprechende Fotos auf der Plattform verboten.

Der häufige Hinweis darauf, dass es sich bei Blackface um eine Praxis aus den USA handle, die daher in Deutschland nicht rassistisch sei, geht angesichts der inzwischen langen eigenständigen Tradition von Blackface in Deutschland fehl. Denn Blackface erfüllte auch in Deutschland für die weiß-deutsche Dominanzgesellschaft die Funktion der Projektion, ging (und geht) einher mit dem gleichzeitigen Ausschluss Schwarzer Menschen aus vielen Lebensbereichen und verstärkte die Marginalisierung Schwarzer Schauspieler*innen im Theater, Film und Fernsehen. Zudem ignoriert diese Argumentation die Kritik betroffener Menschen, die wiederholt auf die verletzende Wirkung von Blackface hingewiesen haben. Diese Kritik erstreckt sich auch auf das Schwarzschminken im Rahmen anderer Traditionen wie z. B. beim Sternsingen.

Siehe auch Redface, Repräsentationsverhältnisse und Yellowface